„Guten Tag, ich möchte gerne mit meiner Arbeitsberaterin sprechen.“
„Warum?“
„Weil ich eine Arbeitsberatung brauche.“
„Ach so. Na dann geben Sie mir mal Ihre Kundennummer.“
„Meine was?“
„Ihre Kundennummer, die steht auf Ihrer Besucherkarte.“
„Schöner Euphemismus.“
„Was?“
„Nichts.“
Sie tippt meine Daten in den Rechner, stutzt:
„Sie sind ja gar nicht berufstätig.“
„Nein, darum bin ich ja hier.“
„Heute ist aber nur für Berufstätige.“
„Was machen denn Berufstätige hier?“
„Heute ist nur für Berufstätige, da können Sie nicht zu Ihrer Arbeitsvermittlerin.“
„Aha. Und morgen?“
„Heute ist nur für Berufstätige.“
Ungeduldig schaut sie mich an.
„Ja?“
„Ich wollte meinen Antrag auf Bewerbungskostenerstattung abgeben.“
„Zeigen Sie mal. Da fehlt ja ein Blatt.“
„Was denn für ein Blatt?“
„Der Antrag.“
„Ich hab aber nur ein Blatt zum Ausfüllen bekommen.“
„Der Antrag fehlt.“
„Ich hab aber nur ein Blatt zum Ausfüllen bekommen.“
„Der Antrag fehlt.“
„Ja, können Sie mir dann vielleicht einen geben?“
„Nein.“
„Wieso nicht?“
„Sie haben bereits einen bekommen. Wir geben Anträge nur komplett raus.“
„Ich habe aber kein zweites Blatt.“
„Sie müssen den Antrag komplett abgeben. So kann ich den nicht annehmen.“
„Können Sie mir dann einen kompletten Antrag geben?“
„Nein.“
„Wieso nicht??“
„Sie haben bereits einen bekommen.“
„Nein, ich habe nur dieses eine Blatt.“
„Sie haben bereits einen bekommen. Wir geben nur komplette Anträge raus. Gucken Sie noch mal zu Hause nach.“
„Ich habe nur ein Blatt. Wirklich.“
„So kann ich das nicht annehmen. Da fehlt ein Blatt. Sie müssen den Antrag komplett hier abgeben.“
„Das kann ich aber nicht, wenn Sie mir keinen kompletten Antrag geben.“
„Sie haben den Antrag bereits bekommen. Steht hier im Computer.“
„Himmel, warum geben Sie mir nicht einfach ein neues Formular? Oder besser gleich zwei, für den Folgeantrag.“
„Einen Folgeantrag bekommen Sie erst, wenn Sie den ersten Antrag abgegeben haben. Vorher kann ich Ihnen kein anderes Formular geben. Gucken Sie noch mal zu Hause nach.“
„Ich habe zu Hause keinen Antrag. Warum geben Sie mir nicht einfach ein neues Formular?“
„Sie haben das Formular von uns am 13.10. bekommen.“
„Himmel, A.., …! Ich hab’s aber nicht mehr.“
„Sie haben es aber komplett von uns bekommen.“
Ruhig Blut, gebietet meine innere Stimme, reg dich nicht auf, das ist nicht gut für den Teint-
„O.K., meine Tochter hat es aufgegessen.“
„Was?“
„Meine Tochter hat es aufgegessen.“
„Was soll das heißen?“
„Meine Tochter hat es aufgegessen.“
„Was meinen Sie mit ‚Meine Tochter hat es aufgegessen‘?'“
„Sie hat das Blatt in kleine Stücke zerrissen und in den Mund gesteckt.“
„Und dann?“
„Gekaut.“
„Und was haben Sie gemacht?“
„Geschluckt.“
„Was?“
„Geschluckt.“
„Und dann?“
„Dann hat meine Tochter geschluckt.“
„Und Sie?“
„Ich konnte nicht mehr schlucken, mir blieb die Spucke weg.“
„Wollen Sie mich auf den Arm nehmen?“
„Nein.“
„Sie wollen mir also erzählen, dass Ihre Tochter das Antragsformular für Bewerbungskostenerstattung gegessen hat.“
„Ja.“
„Und jetzt?“
„Jetzt brauche ich ein Neues.“
„Ja.“
Wortlos greift sie in die Schublade. Dann halte ich ein DIN A4 Blatt in Händen.
„Danke.“
Immer noch wortlos wendet sie sich wieder ihrem Computer zu. Dann stutzt sie.
Ihr Blick trifft mich.
„Sie haben gar keine Tochter.“
Aber ich halte mein Formular ganz, ganz fest.
(c) Tatjana Bielke